Angenommen, du bist Besitzer/-in eines Hauses. Bist du gelegentlich außer Haus, so schadet dies deinem Haus nicht. Bist du hingegen ständig oder über einen langen Zeitraum hinweg außer Haus, so wird dein Haus über kurz oder lang Schaden nehmen. Fehlende Fürsorge lässt dein Haus leiden. Es verstaubt, bildet Schimmel, bietet Raum für Ungeziefer und ungebetene Gäste, bis es schließlich zerfällt. Falls du jemanden hast, der sich um dein Haus kümmert, so kann dies eine Zeit lang gut gehen. Meist jedoch überfordert es den helfenden Menschen dann doch irgendwann, da dieser ja auch sein eigenes Haus zu bewohnen und zu pflegen hat.
.
Das Haus ist eine Metapher für deinen Körper. Mit deinem Körper ist es ähnlich wie mit deinem Haus. Bewohnst du deinen Körper häufig genug, pflegst du ihn oder bist du ständig außer dir … außer deinem (Körper-)Haus? Wenn du deinen Körper bewohnst, ihn nährst und pflegst, wird er dir lange erhalten bleiben. Bewohnst du ihn hingegen selten und/oder gehst du achtlos mit ihm um, wird er irgendwann zu leiden beginnen. Dies kann sich in Form einer psychischen, geistigen oder körperlichen Krankheit äußern, Stress machen und ins Burn-out führen. Menschen, die immer für andere da sind, nie „Nein“ sagen, viele Aufgaben gleichzeitig erledigen und ihre eigenen Bedürfnisse missachten, stehen neben sich, gehen sich selbst „fremd“… sind vermutlich zu viel außer Haus.
.
Wie aber bewohnt man gut sein Körperhaus?
Thich Nhat Hanh, der vietnamesische Mönch aus Plum Village in Frankreich und Begründer des buddhistischen Intersein-Ordens, übt bei seiner Gehmeditation mit jedem Schritt: „Ich bin angekommen, ich bin zu Hause, im Hier und im Jetzt!“ Er ist einer der Vertreter der „Praxis der Achtsamkeit“.
.
„Zu Hause ankommen“ meint, im Hier und Jetzt zu sein und wertfrei wahrzunehmen, was in dir und um dich herum geschieht.
Das bewusste Spüren des eigenen Atems ist dabei eine Hilfe, den Geist nach Hause zu holen. Dann bist du be-geistert anstelle von ent-geistert. Der Atem verankert das Bewusstsein im Körper … er holt den Bewohner in sein Haus zurück. Mit dem Atem kommt auch die Energie zurück. Wenn du dir mehrmals täglich deines Atems bewusst bist, bist du bei dir … in deinem Körper und mehrst deine Energie. Damit trägst du wesentlich zum Erhalt deiner Gesundheit bei.
.
Du wirst dich nun fragen: Aber wo bin ich denn, wenn ich nicht bei mir bin?
Meine Antwort dazu lautet: Oft ist unser Körper an einem bestimmten Ort, unsere Aufmerksamkeit – unser Geist – jedoch weilt woanders. Du bist entweder in der Zukunft oder in der Vergangenheit oder bei anderen Menschen. Du bist nicht im Hier und im Jetzt, also nicht gegenwärtig.
.
Wo ist dabei das Problem, wirst du dich nun fragen.
Es kommt mir ein Spruch in den Sinn, der diese Frage beantworten kann: „Wenn du in der Vergangenheit oder Zukunft bist, verpasst du den sinnlichen Genuss der Gegenwart!“ Ein weiterer Nachteil ist, dass du dich nicht spürst. Du kannst nicht wissen, wie es bei dir zu Hause aussieht, wenn du nicht zu Hause bist. Wie fühlst du dich? Welche Bedürfnisse hast du? Diese Fragen kannst du nur beantworten, wenn du bei dir, in dir – zu Hause – bist. Wenn du deine Bedürfnisse nicht spürst, kannst du dich auch nicht für sie einsetzen und entsprechend handeln.
.
Dein Körperhaus beinhaltet deine Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse.
Bist du außer dir, so verlierst du den Kontakt zu diesen Gefühlen, Bedürfnissen und Gedanken. Du läufst Gefahr, manipuliert zu werden, z.B. dich zu einer Aktivität überreden zu lassen, die gar nicht stimmig für dich ist. Übst du dich jedoch im Kurz-Innehalten und In-dich-Hineinhorchen, schaffst du eine Verbindung mit dir selbst und kannst entsprechend selbstbewusst handeln. Du bist dir deines Selbst bewusst.
.
Zum Ausprobieren:
Du gehst einen Waldweg entlang. Du denkst an eine „blöde“ Kollegin. Du verhakst dich regelrecht in deinen Gedanken, dein Ärger wird immer stärker. Deine Muskeln verspannen sich. Dein Atem ist flach. Von der Umgebung nimmst du nichts wahr. Auf einmal ertönt auf deinem Handy die Glocke der Achtsamkeit oder die Kirchenglocke rüttelt dich wach. Sie erinnert dich an deinen Atem. Du nimmst einen bewussten Atemzug, lässt deine Muskeln und Gedanken der Bewertungen los, spürst deine Füße auf dem weichen Waldboden, denkst „jetzt gehe ich“ und siehst die Schönheit der Natur. Du erinnerst dich zudem, dass es in Wirklichkeit keine „blöde“ Kollegin gibt, sondern nur „günstiges“ oder „ungünstiges“ Verhalten eines göttlichen Wesens, wie du selbst eines bist. Vielleicht magst du deiner Kollegin Feedback geben, welches Verhalten dich gestört hat und welches Verhalten du für günstiger hältst als das bisherige?