Mit der „gewaltfreien oder lebendigen Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg können Sie einen wesentlichen Beitrag für eine friedliche Konfliktkultur (FKK) im Urlaub leisten.
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Was ist ein Konflikt?
Immer dann, wenn zwei oder mehrere Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben, liegt ein Konflikt vor. Ja, Sie haben richtig gelesen: Es liegt nicht deshalb ein Konflikt vor, weil der/die eine Recht und der/die andere Unrecht hat, sondern weil alle an einem Konflikt beteiligten Menschen ein ihnen bedeutsames Bedürfnis zu befriedigen versuchen.
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Konflikte sind normal!
Da Menschen häufig unterschiedliche Bedürfnisse haben, sind Konflikte normal und menschlich. Gerade zu Ferienbeginn und im Urlaub ist die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Konflikten hoch. Er möchte seinem Hobby frönen, sie möchte eine Auszeit vom Mutterdasein, die Kinder möchten schwimmen gehen ...
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Destruktiver Umgang mit Konflikten
Viele Menschen haben gelernt, ihre Bedürfnisse zu verleugnen und zu unterdrücken oder auf eine Befriedigung zu verzichten. Dies tun sie aus Angst vor Gewalt, Strafe, Zurückweisung, Ablehnung, Liebesentzug usw. Sie tun es oft um des lieben Friedens willen. Andere Menschen haben bei ihren Eltern oder frühen Bezugspersonen eine destruktive Konfliktkultur kennengelernt, bei der der Stärkere gewinnt. Destruktiv ist der Umgang mit Konflikten, wenn man meint, es müsse einen Gewinner und einen Verlierer geben. Allenfalls kennen wir noch den sogenannten Kompromiss.
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Gesunder Umgang mit Konflikten
Ein gesunder Umgang mit Konflikten erfordert die Bereitschaft, einen Konsens zu finden. Ein Konsens ist eine Lösung von Interessenskonflikten, bei denen es beiden Interessenvertretern gut geht. Der Nachteil im Prozess der Konsensbildung ist, dass er Zeit braucht. Wichtig dabei ist, dass jeder Partner die Position des Rechthabers verlässt und sich den eigenen Bedürfnissen zuwendet.
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Hinter jedem Gefühl steckt ein Bedürfnis
Hier ein Beispiel: Nina ist gekränkt, weil ihr Mann im Urlaub gern mit seinen Freunden auf dem Fußballplatz ist. Wir wissen zunächst nur, dass sie gekränkt ist. Nina reagiert traurig oder wütend, schmollt oder tobt. Wir wissen, dass es ihr schlecht geht, aber wir wissen noch nicht, welches Bedürfnis hinter ihrem Schmerz steckt. Hat Nina das Bedürfnis nach Kontakt und Nähe zu ihrem Mann? Vielleicht fehlt ihr Aufmerksamkeit oder Wertschätzung? Oder braucht sie Unterstützung in der Kinderbetreuung, um selbst einmal Erholung und Ruhe zu finden? Wichtig ist, dass sich Nina darin übt, ihr Gefühl und das dahintersteckende Bedürfnis zu benennen. In unserem Beispiel tut Nina dies jedoch nicht, sondern wendet Vorwürfe als Konfliktkeule an: „Immer bist du fort!“, „Nie schaust du auf die Kinder!“, „Immer muss ich im Urlaub zu Hause hocken!“, „Ich komme nie auf meine Rechnung!“.
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Eine FKK-Formulierung könnte lauten: „Wenn du im Urlaub mit deinen Freunden unterwegs bist, dann macht mich das traurig, weil ich das Bedürfnis nach Entlastung und Erholung habe. Bitte nimm mir unsere Kinder morgen für drei Stunden ab.“ Dies wäre ein Beispiel für eine lebendige Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Nina schildert die Situation (mit Freunden unterwegs sein), danach ihr Gefühl (Trauer) und ihr Bedürfnis (Entlastung und Erholung). Sie schließt mit einer konkret formulierten Bitte ab (Kinder für drei Stunden abnehmen).
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1. Situation beschreiben (ohne zu bewerten!)
2. Gefühl äußern
3. Bedürfnis mitteilen
4. Bitte äußern
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Ein Gefühl ist – nebenbei bemerkt – immer dann ein Gefühl, wenn man „Ich bin …“ sagen kann. Ich bin traurig, wütend, zornig, eifersüchtig, verletzt, ängstlich, beschämt etc. Werden Gefühle intensiv körperlich empfunden, spricht man von Emotionen. Immer dann, wenn wir uns schlecht fühlen, ist ein Bedürfnis nicht erfüllt. Fühlen wir uns hingegen gut, sind unsere Bedürfnisse erfüllt.
Gefühle, wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind: froh, heiter, gelassen, beruhigt, glücklich, erregt, erwartungsvoll, gespannt, neugierig, verliebt, angeregt, interessiert, zufrieden, erleichtert, u.s.w.
Gefühle, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind: wütend, verletzt, verärgert, neidisch, eifersüchtig, traurig, beschämt, ängstlich, furchtsam, erschrocken, betroffen, geschockt, verzagt, unsicher, zornig ...
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Wir kommen zum obigen Beispiel zurück
Ninas Mann Daniel erfährt nun das Bedürfnis der Frau und deren Bitte. Er kann nun seinerseits seine Gefühle und Bedürfnisse artikulieren, indem er z.B. sagt: „Wenn ich im Urlaub nur zu Hause bin (Situation), dann staut sich Ärger in mir an (Gefühl). Ich habe das Bedürfnis nach Autonomie, nach Ausgelassenheit, nach Bewegung (Bedürfnis). Bitte toleriere mein Hobby, Fußball zu spielen (Bitte).“ Wir erkennen, dass beide Recht haben: Daniel mit seinem Bedürfnis nach Autonomie, Nina mit ihrem Bedürfnis nach Entlastung. Nun geht es darum, einen Konsens zu finden. Wie man verschiedene Bedürfnisse unter einen Hut bekommt, ist ein kreativer Prozess. Vielleicht könnten die beiden klar vereinbaren, wann Nina kinderfrei hat und wann Daniel? Vielleicht könnten sie einen Babysitter organisieren? Vielleicht gibt es eine engagierte Frau, die auf dem Fußballplatz Kinderbetreuung anbieten möchte? Die Konfliktkeule der gegenseitigen Vorwürfe, gespickt mit „immer“ und „nie“, wird somit überflüssig. Nina und Daniel erkennen: „Hinter jedem Gefühl steckt ein Bedürfnis.“ Wie merken sich die beiden nun ihre neu gewonnene Erkenntnis? Sich etwas merken wollen hat mit Lernen zu tun.
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