Flüchtlinge sind …So, wie ich gern wäre?!

Eine tiefenpsychologische Betrachtung von Mag. Stefanie Zauchner-Mimra

Beim Thema „Flüchtlinge“ gibt es die verschiedensten Sichtweisen. Neben großer Hilfsbereitschaft und positivem Aufeinanderzugehen gibt es leider auch immer wieder Menschen, die diesem Thema noch kritisch – um nicht zu sagen sehr negativ – gegenüberstehen. Dies kann viele Ursachen haben. Häufig hat es schlichtweg mit der eigenen Angst zu tun. Für mich Grund genug, das heiß diskutierte Thema einmal aus der tiefenpsychologischen Sicht zu betrachten. Denk doch einmal an folgendes Szenario: Du hörst in einer Besprechung, dass in deinem Ort vor Kurzem eine Flüchtlingsfamilie eingezogen sei. Unweigerlich kriecht ein eigenartiges Gefühl in dir hoch. Was ist das für ein Gefühl? Angst? Ja, es ist Angst! 

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So geht es vielen, vor allem älteren Menschen, wenn sie mit dem derzeit hoch aktuellen Thema „Flüchtlinge“ konfrontiert werden.

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Was sind die Gründe für diese Angst?

Vordergründig macht alles Angst, was unbekannt ist. Unbekannt sind bei Flüchtlingen zumeist die Länder, aus denen sie kommen, sicherlich auch die dortigen Verhältnisse. Unbekannt sind die genauen Gründe für die Flucht und deren Umstände. Unbekannt sind die Arten der Gewalt, die die flüchtenden Menschen erlebt haben. Unbekannt ist deren psychische Verfassung bzw. das Ausmaß der Traumatisierungen.

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Nun habe ich zwei Möglichkeiten, mit dieser Angst umzugehen:

1. Information bringt Sicherheit: Ich gestehe mir die Angst ein und informiere mich, um Sicherheit zu bekommen. Was genau ist ein Flüchtling? Wer ist eingezogen? Wie ist deren Situation? Woher kommen sie? Wie lange werden sie bleiben? Wie heißen sie? Ich kann Informationsveranstaltungen besuchen, mich selbst für Flüchtlinge engagieren oder mich zumindest diesem Thema gegenüber neutral und wertfrei verhalten.

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2. Projizieren: Die zweite Möglichkeit besteht darin, alle nur erdenklichen Fantasien auf die Flüchtlinge zu projizieren. Ich schreibe den Flüchtlingen schlechte Eigenschaften zu und werte die Menschen samt dieser von mir auf sie projizierten Eigenschaften – ohne zu wissen, ob sie diese wirklich haben – ab.

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Wie kommt es zu diesen Projektionen und was kann ich tun?

Eigene ungelebte und ungeliebte Wesensmerkmale, wie z.B. „(Hilfs)Bedürftigkeit“, wurden als Kind verdrängt und später auf andere übertragen. Sich selbst stellt man als stark und souverän dar und schreibt anderen Menschen die Eigenschaft der „Bedürftigkeit“ in abgewerteter Form als „Schwäche“ zu. (C.G. Jung)

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Wie kann ich mit dieser Projektion umgehen bzw. was kann ich dagegen tun?

Schritt 1: Notiere den Begriff „Flucht“ oder „Flüchtling“ und assoziiere schriftlich dazu deine höchst persönlichen spontanen Gedanken. Wie denkst du über Menschen, die aus Angst vor Gewalt ihr Land verlassen haben und zu uns kommen? Ich habe eine Auswahl an möglichen Gedanken zusammengefasst. Vielleicht sind deine ähnlich? Flüchtlinge …

laufen vor Problemen davon

lassen ihre eigene Familie und ihr Land im Stich.

haben Angst.

sind ungebildet.

sind Störenfriede.

sind schwach.

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Schritt 2: Falls du einen für dich passenden Satz gefunden hast, dann frage dich nun bitte, ob du denn auch so bist oder ob du gern so wärst oder gewesen wärst. Schreibst du den Flüchtlingen in deiner Gemeinde vielleicht ein Wesensmerkmal zu, das du selbst nicht lebst? Vielleicht hast du dir eine der zugeschriebenen Eigenschaften nie leben dürfen? Horch in dich hinein und frage dich:

Würdest du auch gern davonrennen … Leiden beenden?

Hast du (in deiner Fantasie) deine Familie im Stich gelassen?

Würdest du dir nie erlauben, schwach und ängstlich zu sein?

Hast du Angst, deinen eigenen täglichen Herausforderungen nicht gewachsen, also überfordert zu sein?

Erwartest du von dir selbst, immer ein Held zu sein, stark und mutig, emotionslos und souverän und stufst deshalb Menschen mit Angst als „Schwächlinge“ ein?

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Schritt 3: Rücknahme der Projektion – Annahme des inneren Flüchtlings. Wenn du eine der genannten Fragen mit „Ja“ beantworten kannst, dann heiße ihn willkommen … den Flüchtling in dir! Heiße ihn willkommen, den Anteil in dir, der auch gern mal Emotionen zeigen möchte, der sein Leid anderen zumuten möchte, der versorgt werden möchte, der hilfsbedürftig ist, der flüchten möchte, der ausbrechen möchte, der sich nach Freiheit sehnt.

Begrüße mit Mitgefühl den Anteil in dir, der Mitgefühl und Unterstützung bräuchte, der gerettet und geschützt werden möchte, der Geborgenheit braucht, der Angst hat und  Sicherheit sucht. Nimm den Anteil in dir an, der Gewalt erlebt hat und darunter (im Stillen) leidet, der Aufmerksamkeit möchte, der wahrgenommen und herzlich an- und aufgenommen werden mag. Wenn du diesen Flüchtlingsanteil in dir liebevoll annimmst, brauchst du ihn nicht mehr abzuspalten, auf andere Menschen zu projizieren und dort (in Gedanken oder verbal) abzuwerten oder gar abzulehnen.

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Schritt 4: Handle entsprechend. Erfülle dir die nicht gelebten Bedürfnisse, betrauere die Versäumnisse und hole nach, was möglich ist und weise. Heile und hilf dem Flüchtling in dir, sorge für ihn, anstatt den Flüchtling im Außen abzuwerten.

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Folgende Anregung aus meinem Buch „Mentikamente“ passt gut auf die Flüchtlingsthematik:So wie ich So, wie ein Diaprojektor ein Bild auf die Leinwand projiziert, so projiziert unser Unterbewusstsein Bilder auf andere Menschen. Das Dia bleibt weiterhin im Projektor. Ebenso bleiben die von uns projizierten Anteile weiter in uns, egal, wie oft wir sie auf andere projizieren. Was wir oft vergessen: Auf der Leinwand erscheint ein Bild, das in unserem Projektor entstand!

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Die folgende Übung dient dazu, Projektionen zurückzunehmen, um sie in dir zu integrieren. Übung: Sobald du jemanden in Gedanken oder mit Worten bewertest (verurteilst oder bewunderst), ergänze mit Frage- oder Rufzeichen: „So wie ich?!“ Hinweis: Möglicherweise bist du nur in Gedanken so wie ich? Vielleicht bist du genau das komplette Gegenteil, wärst aber auch ab und zu gern genauso…so wie ich

Zauchner-Mimra2

Mehr Infos und Übungen bekommst du auch in meinem Buch: Mentikamente von A-Z … für Ihre Mentale Hausapotheke und/oder in der nächsten Impuls-Lifestyle-Ausgabe!

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Kontakt: 

psychologin@zauchner-mimra.info und www.zauchner-mimra.info



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