Ganz aufgeregt und quirlig zeigt sich meine Kollegin heute. Was ist nur los mit ihr? Ich frage sie. Ach so! Sie fährt auf Urlaub, und heute ist ihr letzter Arbeitstag. Dann verstehe ich ihre Aufregung nur zu gut, war ich doch auch vor 14 Tagen noch im Urlaub. Was genau passiert psychologisch in uns, wenn eine Urlaubsreise naht? Und was können wir selbst dazu beitragen, damit der Urlaub ein Genuss wird? Nein, ich drehe das lieber um. Dann macht mir das Schreiben - immerhin habe ich gerade frei - mehr Spaß: Also, was können wir beitragen, damit unser Urlaub zum Verdruss statt zum Genuss wird?
1. Streich: Vorfreude
Klar, wir freuen uns „vor“. „Vor“freude bedeutet, dass wir im Kopf eine „Vor“-stellung davon haben, wie es im Urlaub werden wird. Wir sind also gar nicht mehr wirklich da, wo wir jetzt sind, nämlich noch in der Arbeit. Wir sind mit unserem Geist schon in der Zukunft, am Urlaubsort. Wir sehen das Hotel, den Strand, die romantischen Abende bei gutem Essen zu zweit oder die friedlich spielenden Kinder im Sand. Diese Vorstellung ist auch weiter nichts Schlimmes. Schlimm wird es nur, wenn wir uns nicht bewusst sind, dass es vorerst einmal „nur“ Vorstellungen sind und nicht (schon) die Realität.
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Der Nachteil von zu viel Vorfreude kann sein, dass Vieles dann anders wird als geplant und man enttäuscht wird. Die Kinder streiten ums Handy und wollen lieber WLAN als Strand. Der Freund will lieber Komasaufen als ein romantisches Dinner zu zweit. Malen Sie sich also bitte im Detail die absolute Ruhe am öffentlichen Strand, das zuvorkommende Personal im Hotel und vor allem einen Partner aus, der genau die gleichen Vorstellungen von Urlaub hat, wie Sie. Dieses war der erste Streich, und der zweite folgt sogleich.
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2. Streich: Hoffen und Warten statt Absprache mit dem/der/den Mitreisenden
Falls Sie sich Ihrer Bedürfnisse für die bevorstehende Urlaubszeit bewusst sind, sprechen Sie sich nicht mit Ihren Mitreisenden ab. Überlassen Sie diesen das Rätselraten, was Sie gern erleben möchten. Hoffen und warten Sie, bis es sich ereignet. Z. B. wünschen Sie sich, dass Ihr Partner Sie alleine shoppen schickt. Die Realität sieht dann womöglich so aus, dass Ihr Freund in jeden Laden mitgeht und Sie beim Einkauf Ihrer Kleidung berät. Genauso kann es natürlich umgekehrt sein. Weil Sie nicht selbst für Ihre Bedürfnisse sorgen und die anderen es auch nicht tun, bleibt Ihnen scheinbar nichts anderes übrig als gut für die Bedürfnisse der anderen zu sorgen, für den Partner Aktivitäten finden, sich mit den Kindern beschäftigen. Am Ende sind Sie dann am Ende. Sie kamen zu kurz.
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Sie könnten die Verantwortung für Ihre Bedürfnisse übernehmen und sich mitteilen. Die Frage ist natürlich, ob Sie Ihre Bedürfnisse überhaupt selbst spüren. Dieses war der zweite Streich, doch der dritte folgt sogleich.
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3. Streich: Bedürfnisse verfehlen statt fühlen
Der Alltag läuft oft fremdbestimmt ab. Jemand anderer bestimmt unsere Struktur und unseren Rhythmus. Im Urlaub fallen diese äußeren Strukturen plötzlich weg. Nicht selten kann das sogar dazu führen, dass man erkrankt, in ein emotionales Loch fällt oder gereizt reagiert.
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Auf einmal sollen wir spüren, was wir wollen?
Haben wir einen sehr fordernden Alltag, haben wir meist das Bedürfnis nach Zeit, nach Ruhe, Entspannung, Erholung. Sind wir hingegen im Alltag eher unterfordert, sehnen wir uns im Urlaub nach Aktivitäten, Aufregung, Abenteuer. Günstig für Urlaubsgenuss ist oft ein Ausgleich zu dem, was wir sonst tun, das aber auch nicht zu radikal.
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Günstig für Verdruss ist, wenn Sie Ähnliches tun wie sonst auch. Haben Sie einen Beruf mit Kindern, empfehle ich Ihnen als Babysitterin mit Familie oder Freunden auf Urlaub zu fahren ... wenn Sie Verdruss haben möchten. Arbeiten Sie in einer Stadt in einem Betonbunker, empfehle ich Ihnen eine Städtereise. Sind Sie reizüberflutet und lärmempfindlich, würde ich einen lauten Ort bevorzugen. Vor allem wenn Sie gesundheitlich angeschlagen und/oder bereits erschöpft sind, sind risikoreiche und reizstarke Urlaube ideal. Ich hoffe, Sie können meine liebevoll gemeinte Provokation herauslesen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich selbst auch nicht sofort von 100 km/h auf 0 km/h herunterfahren kann. Oft brauche ich zunächst einen gewissen Aktivitätslevel für einen sanften Übergang in den Entspannungsmodus.
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Nicht selten passiert es, dass - wenn endlich alle äußeren Bedingungen ideal erholsam sind - der eigene innere Geist noch Filme dreht oder man ungewollt einen Streit inszeniert, um nur ja nicht zur Ruhe zu kommen.
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Vielleicht hilft Ihnen ein Bedürfnis-Screening. Wonach sehnen Sie sich? Nähere Informationen dazu, finden Sie online unter impuls-online.com. Ich hoffe, die online hinterlegten Fragen helfen Ihnen, sich Ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden.
Danach teilen Sie diese bitte ja niemandem mit!
Dieses war der dritte Streich, doch ...
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4. Streich: Online statt offline
Ich finde es schade, dass die Roaminggebühren in vielen Ländern weggefallen sind. Nun sind nicht einmal diese mehr ein Grund, den Telefonkontakt im Urlaubsort zu reduzieren. Möchten Sie also weiterhin beruflich auf dem Laufenden bleiben, sich die Sorgen Ihrer Verwandten anhören oder andere Kontakte pflegen, dann bleiben Sie online und erreichbar. Sagen Sie am besten niemandem, dass Sie auf Urlaub sind, sonst könnten diese Menschen Sie womöglich mit SMS und Anrufen verschonen! Behandeln Sie das Handy wie ein Tabu. Jeder hat es am Tisch und schaut oft rein - anstatt auf das Meer - aber thematisiert wird es nicht. Ich gebe zu, es ist auch für mich nicht leicht das Handy loszulassen. Aber Gott sei Dank gibt es in den meisten Hotels einen Tresor! Dort sperre ich es ein und hole es am Abend oder erst nach ein paar Tagen wieder heraus.
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Mittlerweile gibt es sogar Urlaubsorte, die mit „digitaler Abstinenz“ werben, also keinen Handyempfang haben und selbstverständlich kein WLAN besitzen. Tja, nicht wir haben ein Handy, sondern das Handy hat uns! Darum braucht es vermutlich solche Urlaubsorte als Handy-Entzugs-Oasen, weil wir ja nicht mehr Herr/Frau der Lage sind. Dieses war der vierte Streich, doch der ....
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5. Streich: Sicherheit geht vor Vertrauen
Eine Reise macht Angst. Wir nennen es Aufregung oder Reisefieber. Genaugenommen ist es eine leise Angst vor dem Ungewissen. Wir lassen schließlich etwas Bekanntes los. Dieser Verlust der vertrauten Umgebung erzeugt eine Minikrise und macht Angst.
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Damit erklärt sich so mancher Streit vor der Abreise. Streit um das, was eingepackt werden soll und darum, wie es in das Auto eingepackt gehört. Dieser Abreisestress erklärt Konflikte im Auto, Flugzeug, am Bahnhof und Flughafen. Angst macht dieser Verlust des Bekannten, weil wir meinen die Kontrolle zu verlieren. Wir überlassen uns, wagen Neues, kennen die Gegend nicht, den Reiseleiter nicht, das Hotel nicht. Der Kontrollverlust führt dann dazu, dass man entweder zu viel einpackt oder falsch, dass man etwas vergisst oder andere eigenartige Verhaltensweisen an den (Abreise-)Tag legt.
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Jede Abreise ist eine (Mini-)Krise. Leugnen Sie diese und verlangen Sie absolute Gelassenheit von allen Mitreisenden, so sind Sie bei Ankunft sicher mega-gestresst. Rechnen Sie hingegen damit und üben Sie sich selbst in Geduld, kann das zur Deeskalation beitragen. Üben Sie die sog. Atemfokussion, während der Freund das Auto komplett putzt, alles kontrolliert, ein- und wieder ausräumt und erneut einpackt, dann sparen Sie gehörig Nerven, oder aber projizieren Sie den eigenen Stress auf alle anderen. Schließlich sind es immer die anderen!
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Atemfokussion bedeutet, den eigenen Atem bewusst zu spüren und ggf.
etwas tiefer ein- und auszuatmen.
Um diesen Kontrollverlust scheinbar aufzuheben, packen wir gern Sachen ein, die uns Sicherheit geben. Das können Nahrungsergänzungsmittel sein, der Smoothiemixer oder schlichtweg zu viel Gewand, zu viele Spiele, zu viele Dinge – denn Dinge geben (scheinbar) Sicherheit. Jede Urlaubsreise ist also riskant für unsere Psyche. Machen Sie sich dies bewusst und fragen Sie sich, ob Sie diesen Mut dieses Jahr überhaupt aufbringen oder doch ´mal lieber zu Hause bleiben wollen. Dieses war der fünfte Streich, ...
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6. Streich: Fotografieren und auf Facebook & Co. posten
Klar posten Sie auf Facebook, ab wann Sie wie lange weg sein werden, damit es die EinbrecherInnen leicht haben werden. Außerdem schüren Sie den Neid der anderen. Meiden Sie außerdem den direkten Genuss, in dem Sie alles durch den Fotoapparat betrachten. Sie unterbrechen damit erfolgreich das kindlich-lebendige Staunen in uns. Sie greifen zur Technik, und dann tun Sie so als ob und Sie machen (sich) wieder ein Bild von etwas, damit sich dann auch andere unter Ihrem Urlaubsort etwas „vor“stellen können. Dieses war der sechste Streich, doch der letzte folgt sogleich.
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7. Streich: Was erlauben Sie sich?!
„Urlaub“ kommt etymologisch von „erlauben“. Erlauben Sie sich nichts, dann ist es kein Urlaub. „Erlauben“ kommt von „lieben“. Tun Sie das, was Sie wirklich lieben, dann haben Sie Urlaub. Fünf Wochen im Jahr „Lieben“ und „etwas erlauben“, das mag ja in Ordnung sein, aber ja nicht länger!
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Wenn Sie alle meine 7 Streiche gut befolgen, brauchen Sie nach Ihrem Urlaub Urlaub vom Urlaub. Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub und dass Sie sich auch danach möglichst oft „lieben“ und „etwas erlauben!“
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Ich hoffe, meine Fragen helfen Ihnen, sich Ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden. Danach teilen Sie diese bitte ja niemandem mit!
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Detaillierte Informationen finden Sie auch unter: www.zauchner-mimra.info