Als wir das Buch „Stefan Wiebel‘s Lebensreise“ zu lesen bekamen, waren wir von den Erlebnissen des Bad Reichenhallers begeistert und wollten mehr über den Sportler und Menschen erfahren. Bei unserem Interview lernten wir den sympathischen Allrounder als tiefgründigen, besonnenen und offenen Gesprächspartner kennen, der uns mit seinen emotionalen Erzählungen sofort in seinen Bann zog.
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Stefan Wiebel: Das habe ich von meinem Vater mitbekommen; er war beruflich Bergführer und hat damals in einer sozialpädagogischen Erlebnis- und Outdoorschule gearbeitet. Da er sehr viel unterwegs war, haben ich und meine Schwester ihn zwar nicht oft gesehen, hatten aber die Möglichkeit, ihn immer mal wieder zu besuchen oder auch mit ihm mitzugehen. Bereits damals – ich war zwölf Jahre alt – sind wir viel im Kajak gesessen und auch mit dem Klettern habe ich bereits mit zwölf Jahren angefangen. Diese sportliche Begeisterung ist mir dann auch geblieben. . Impuls Lifestyle: Was fasziniert dich an diesen Bergsportarten? Stefan Wiebel: Zum einen die Vielfältigkeit. Die Möglichkeit, sich in der Natur mit so vielen verschiedenen Fortbewegungsmitteln zu bewegen: sei es beim Mountainbiken, in der Vertikalen mit Klettern oder – was ziemlich früh mit 17 Jahren dazugekommen ist – Gleitschirmfliegen. Ich bin allerdings nie zum Spezialisten in den einzelnen Bereichen geworden, sondern hatte immer wieder Phasen, in denen ich das ein oder andere besonders gerne gemacht habe. Ich bin quasi eher ein Allrounder als ein Experte in diesen Sportarten, wobei mein Favorit natürlich das Gleitschirmfliegen ist. Fasziniert hat mich definitiv auch, dass du das alles draußen machen kannst, einfach in der Natur sein – und auch die Symbiose mit anderen Lebewesen. Mir war und ist es immer schon wichtig, auf die Natur und ihre Lebewesen Rücksicht zu nehmen und nicht mit der Brechstange vorzugehen. . Impuls Lifestyle: Du hast schon viel erreicht, vor allem was das Gleitschirmfliegen betrifft. Was treibt dich immer wieder an und was motiviert dich? Stefan Wiebel: Durch die Jahre sammelt man immer mehr Erfahrungen, auf die man aufbauen kann. Früher zum Beispiel war man froh, wenn man beim Gleitschirmfliegen zehn Kilometer geflogen ist oder vom Startplatz überhaupt den Landeplatz erreicht hat – das war schon ein Highlight. Mittlerweile fliegt man Strecken von 200 bis 300 Kilometer aufwärts. Es geht hierbei nicht um immer höher, schneller, weiter, aber die Technik und damit verbunden auch die Möglichkeiten der Fluggeräte ermöglicht es heutzutage, dass man von hier vor der Haustür den Alpenhauptkamm erreichen kann oder sogar bis nach Italien fliegt. Das sind riesengroße Abenteuer, wenn man sieben, acht, neun oder sogar zehn Stunden in der Luft bleiben kann und auf 4.000 Meter fliegt. Meine Höchstleistung liegt bei sieben Stunden mit einem Tandem, das ist halt schon irre! . Impuls Lifestyle: Man wird auch immer besser. Stefan Wiebel: Genau, man gewinnt Routine, Flugpraxis und man kennt die Flugrouten. Wenn die Route dann schon einmal geklappt hat, möchte man natürlich noch eins draufsetzen. . Impuls Lifestyle: Würdest du dich selbst als Perfektionisten beschreiben? Stefan Wiebel: War ich eigentlich nie. Also in der Schule auf keinen Fall, im Haushalt auch nicht wirklich, aber da, wo es für mich wichtig ist, wenn es um mein Material geht, wie zum Beispiel bei der Gleitschirmausrüstung, da bin ich Perfektionist. . Impuls Lifestyle: Du hattest 1993 einen schweren Unfall, bei dem du nur knapp mit dem Leben davongekommen bist. Was hat dich danach dazu bewogen, weiterzumachen und weiterhin diesen Sport auszuüben? Stefan Wiebel: Ja gut, das Flugvirus, das hatte mich ja bereits mit 17 Jahren gepackt. Klar, die Verletzungen, die ich damals hatte, waren riesig und schlimm, aber ich habe relativ schnell für mich analysiert, warum ich diesen Unfall hatte. Es ist ja nicht so, dass Fliegen eine Glückssache ist, sondern es hängt vom Piloten ab. Bei meinem Unfall habe ich einfach richtig großen Mist gebaut. Danach hatte ich für mich relativ schnell entschieden: Wenn ich das Fliegen für mich persönlich neu überdenke und mich an die Gesetze der Natur halte, dann kann ich auch sicher weiterfliegen. . Impuls Lifestyle: Was war im Nachhinein die Ursache? Stefan Wiebel: Eine Schlechtwetterfront war im Anmarsch und ich hatte sie unterschätzt und gedacht: Das kommt eh erst in ein oder zwei Stunden, jetzt bin ich gerade so gut unterwegs, jetzt nutze ich den Wind auch. In dieser Euphorie hatte ich einfach übersehen, dass die Gewitterfront schneller kam, und die starken Windböen haben mich dann versetzt und zum Absturz gebracht. . Impuls Lifestyle: Haben dir die Erfahrungen, die du im Sport gemacht hast, geholfen, nach deinem Unfall wieder zurückzukommen und mit allem fertigzuwerden? Stefan Wiebel: Auf jeden Fall. Man kennt aus dem Sport einfach, dass man sich nicht hängen lässt, immer wieder neuen Mut aufnimmt, sich manchmal auch schinden muss und Schmerzen überwindet, um etwas zu erreichen. Man hat nach einem solchen Unfall zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt sich hängen oder man muss alles mobilisieren, was nur irgendwie geht. Ganz so wie früher wird es nie wieder gehen, da ich dafür einfach zu viele Schrauben, Platten etc. im Körper habe, aber für mich ist das Wichtigste, dass es geht und ich meinen Sport heute wieder ausleben kann. . Impuls Lifestyle: Du hast in deinem Sport oder auch auf deinen Reisen schon sehr viele Extremsituationen miterlebt. Was hat dich am meisten beeindruckt? Stefan Wiebel: Ich habe schon viele Unfälle miterlebt, die mich zwar teilweise nicht selbst betroffen haben, aber die ohne Weiteres auch mir hätten passieren können. Die Gefahren, die auf einen lauern, marschieren zwar im Kopf mit, aber man ist sich ihrer bewusst. Viel schlimmer finde ich es, wenn man menschlich enttäuscht wird. Wenn man zum Beispiel mit dem Fahrrad in Honduras unterwegs ist, heruntergeholt wird, mit der Pistole bedroht und ausgeraubt wird. Man weiß in solchen Situationen ja nicht, ob das jetzt nur ein schlechter Scherz ist oder ob es sich wirklich um Kriminelle handelt. Diese Erfahrungen haben mich wesentlich länger beschäftigt, weil man dann ja immer in jedem etwas Schlechtes sieht oder immer damit rechnen muss, dass wenn man alleine unterwegs ist, etwas passieren könnte. . Impuls Lifestyle: Kommen wir wieder zu etwas Positivem. Was war denn das schönste Erlebnis, an das du dich erinnerst? Stefan Wiebel: Es gibt immer wieder Situationen, die einen höheren Stellenwert besitzen. Wenn man zum Beispiel auf dem Gipfel steht, den man bereits lange erklimmen wollte. Aber ich glaube, mehr Spaß hat es mir gemacht, wenn ich die Freude oder den Erfolg mit jemandem teilen konnte. Ich hatte allein etliche tolle Momente, aber auch wenn es schon einige Jahre her ist und vielleicht auch völlig unwichtig ist – als ich mit meinem Tandempartner Deutscher Meister geworden bin oder mit meiner Frau sieben Stunden lang bei einem Tandemflug unterwegs war, konnten wir die Freude als Team genießen, die Emotionen und Erlebnisse teilen – das waren für mich die wahren Highlights.