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Wussten Sie, dass es in unseren Ohren drei Mal so viele Nervenenden gibt wie in unseren Geschlechtsorganen? Spricht man deshalb vom Ohrgasmus? Außerdem sind unsere Ohren unseren Augen in allen Leistungen um ein Vielfaches überlegen. Unser Innenohr – die Cochlea – ist bereits wenige Wochen nach der Empfängnis in seiner vollkommenen Größe ausgebildet. Das Innenohr ist zudem der härteste Knochen in unserem Körper. Das Ohr erlischt als letztes Sinnesorgan beim Sterben. Die Schöpfung hat offensichtlich vorgesehen, dass wir weit über das notwendige Maß hinaus hören können. Und jeder Ton, der verklingt, führt uns in die Stille. Und diese Stille ist immer schön, egal wie laut und unangenehm zuvor ein Geräusch gewesen sein mag.
Wozu können wir so weit in die Stille hören? Oder geht es genau darum? Joachim Ernst Berendt befasst sich mit diesen und vielen anderen Fragen rund um unser Gehör in seinem Buch „Ich höre also bin ich“ (2009). Intuitionsforscherin Mag. Regina Obermayr-Breitfuß meint, dass unsere weise innere Stimme - die Intuition - eine leise Stimme ist. Um diese leise Stimme vernehmen zu können, braucht es die Stille. Nur dann können wir die Intuition von den vielen anderen inneren und meist viel lauteren Stimmen unterscheiden.
Erlauben Sie mir, diese innere Stimme, die Stimme des Herzens, mit der Geburt Christi zu vergleichen. Deshalb singen wir ja das Lied: „Stille Nacht, heilige Nacht“. Jesus offenbart sich in der Stille, er wird in uns geboren. Ob Sie sie Intuition oder Stimme Gottes nennen, wir alle wissen, dass es sie gibt: die sog. Herzensqualitäten. Dazu zählen u.a. Liebe, Mitgefühl, Klarheit, Achtung, Güte, Freude, Dankbarkeit.
Die Seele baumeln lassen ist gesund. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Stille zudem gut für unser Gehirn ist.
Stille und Nichtstun fördern unsere Konzentration und Kreativität, das soziale Miteinander, emotionale Stabilität und eine positive, sinnerfüllte Lebenshaltung. In der Stille wächst sogar das Gehirn. Nur in der Stille sind bestimmte Hirnareale aktiv, die wir sonst nicht verwenden.
Wenn sich also in der Stille die Stimme Gottes offenbart und sie zudem auch noch gesund ist, warum lärmen wir uns dann so zu? Warum ist im Auto das Radio und zu Hause der Fernseher an? Warum läuft in jedem Kaufhaus und Restaurant Musik? Warum meinen wir, im Kontakt mit Menschen immer reden zu müssen?
Auch wenn wir uns in unserer Freizeit mit Aktivitäten beschäftigen, die uns Freude machen, so dürfen wir nicht darauf vergessen, dass Ruhe, Entspannung und Erholung auch wichtige Grundbedürfnisse von uns Menschen sind. Auf Spannung sollte Entspannung folgen. Auf Lärm Stille, auf Tun Nichtstun.
Selbst wenn Stille gesund, heilsam und inspirierend ist, gibt es offenbar gute Gründe sie zu meiden. Spirituelle Lehren vergessen oft darauf hinzuweisen, dass der Weg zu einem spirituellen Bewusstsein zunächst durch so manch innere Abgründe führt.
In der Stille werden zunächst sämtliche innere Stimmen laut, die wir zuvor lang ignoriert haben.
Diese Stimmen können unangenehme Emotionen und versagte Bedürfnisse sein. Schmerzhafte Erinnerungen können wach werden. Wer will das? Da gehe ich doch lieber shoppen, oder? Da schalte ich doch lieber das Radio ein, oder? Wir haben Angst vor dem, was uns in der Stille begegnet. Das ist nicht sofort die Stimme des Herzens. Zunächst ist es die Stimme des inneren Kindes. Vielleicht erinnere ich mich in der Stille an Gewalt aus meiner Kindheit, an frühe Verluste, an Ängste, an Ohnmacht und Krankheiten. Sonja Kübber, eine Schülerin C.G. Jungs, spricht von emotionalen Sterbestellen aus der Kindheit, die uns als Dämonen im Traum und eben auch in der Stille begegnen können. Würden wir den Mut aufbringen, dennoch zumindest für 5 Minuten am Tag wirklich nichts zu tun und nichts in uns aufzunehmen, hätten wir die Chance, innerlich ruhiger zu werden und Vertrauen zu fassen, dass Stille zumutbar und aushaltbar ist.
Wir ent-sorgen unsere Gedanken, in dem wir sie wahrnehmen, aber nicht nach ihnen greifen. Gedanken sind wie Affen, die von Ast zu Ast springen. Sie lassen sich nicht aufhalten. Wir beobachten sie und lassen sie sein. Allmählich werden sie ruhiger und weniger, und es entstehen Lücken. Zwischen den Gedanken liegt sie: die Stille.
Eine wichtige Bedingung für das Erleben innerer Stille ist es, mit Gegebenheiten einverstanden zu sein, die ich nicht ändern kann. Sei dafür, wenn die Ampel rot ist, es hilft ohnedies nichts, wenn du dagegen bist. Sei einverstanden damit, wie das Wetter ist. Sei einverstanden mit deinen Gedanken, deinen Emotionen, deiner Vergangenheit. Gib den Widerstand auf, denn erst der Widerstand erzeugt das Leiden. Z. b. du liegst entspannt im Garten, plötzlich beginnt der Nachbar mit dem Rasenmähen. Dies mag unangenehm sein, aber erst, wenn du auch noch dagegen bist, dann leidest du. Bist du dafür, dass der Nachbar jetzt seinen Rasen mäht, wirst du innerlich friedlich und ruhig werden. Obwohl der Lärm gleich geblieben ist. Eine weitere Möglichkeit dennoch Stille zu erleben bieten die sog. Noice-Cancelling-Headphones, die Umgebungsgeräusche einfach ausblenden. Ich selbst habe so einen und bin selig damit. Die Zugfahrten werden damit erstaunlich still.
Innere Stille kann ich auch fühlen, wenn es außen laut ist, und es kann in mir laut sein, obwohl es außen still ist.
Als Psychologin brauche ich die Stille, um mich zu sammeln und Kraft zu tanken. Als Kabarettistin brauche ich die Stille für kreative Ideen. Es kann nur etwas in mich hin-ein-fallen, wenn ich zuerst leer geworden bin. Lasst uns öfters innehalten, das Handy ausschalten und die Seele baumeln lassen. Ohne Gespräch, ohne Musik, ohne Essen, ohne Trinken, ohne Lesen, ohne... Nur atmend und ganz im Hier und Jetzt verweilend. In die Stille hörend. Staunend. Stille kann echt steil sein! Ihre Stefanie Zauchner-Mimra
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